07. 03. 2025
Pressemitteilung Rote Bank in Jena eingeweiht
Platz nehmen gegen häusliche Gewalt: Stadt Jena weiht vor dem Frauentag eine „rote Bank“ ein
Jena hat seit heute eine „rote Bank“. Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche weihte die auffällige Sitzbank zusammen mit der Gleichstellungsbeauftragten Dr. Kerstin Haupt auf der Freifläche neben dem Platanenhaus an der Unterlauengasse ein. Im Beisein von weiteren Akteurinnen und Akteuren sowie Gästen wurde die Bank am Tag vor dem internationalen Frauentag für die Öffentlichkeit freigegeben.
Immer mehr Kommunen folgen dem Beispiel
Hintergrund ist das Projekt „La Panchina Rossa“, das 2016 in Italien ins Leben gerufen worden war. Mit einer auffälligen roten Bank sollte sichtbar gemacht werden, was sonst im Verborgenen passiert: häusliche Gewalt. Die Farbe symbolisiert das Leben und erinnert zugleich daran, dass Plätze leer bleiben, wenn Menschen Opfer von häuslicher Gewalt werden. Die Bank soll aber auch ein Zeichen der Hoffnung sein und daran erinnern, dass Betroffene Hilfe finden können. In der Folge tauchten in immer mehr italienischen Städten rote Bänke auf. Auch in Deutschland folgten viele Kommunen diesem Beispiel – darunter Freiburg, Mannheim, Speyer, Aschaffenburg, Kiel oder auch Hamburg – wo Jenas Gleichstellungsbeauftragte auf diese Aktion aufmerksam wurde.
Ein Zeichen, das in die Stadtgesellschaft hineinwirkt
Bereits in den vergangenen Jahren hatte die Gleichstellungsstelle der Stadt rund um den Frauentag verschiedene Aktionen für die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung organisiert – bewusst für Männer und Frauen gemeinsam. Statt einer Aktion ausschließlich für die Beschäftigten der Stadtverwaltung fiel die Entscheidung dieses Mal für ein Zeichen, das auch in die Stadtgesellschaft hineinwirkt. „Ich bin unserer Gleichstellungsstelle sehr dankbar, dass sie in diesem Jahr die Initiative ergriffen und sich für dieses besondere Projekt eingesetzt hat“, betonte Oberbürgermeister Nitzsche bei der Einweihung. „Häusliche Gewalt ist ein Thema, das in unserer Gesellschaft viel zu wenig Beachtung findet. Ein Großteil der Opfer – rund 80 Prozent – sind Frauen. Aber es gibt auch männliche Opfer häuslicher Gewalt, denen ebenfalls Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.“
Gewaltfreiheit als Grundvoraussetzung für Gleichberechtigung
„Die Einweihung zum Internationalen Frauentag macht einmal mehr deutlich, dass Gewaltfreiheit ein Menschenrecht ist und eine Grundvoraussetzung für die Gleichberechtigung. Noch immer hat Gewalt gegen Frauen viele Gesichter: strukturelle, sexualisierte, ökonomische, physische und psychische Gewalt“, sagte Dr. Helga Herzfeld, die stellvertretende Landesgleichstellungsbeauftragte und Leiterin der Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Thüringen. Gemeinsam mit vielen Akteurinnen und Akteuren arbeite der Freistaat daran, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt umzusetzen. „Es darf nicht länger Wirklichkeit bleiben, dass Gewalt so zum Alltag gehört, dass ein Viertel aller Frauen Gewalt erfährt und jeden zweiten Tag eine Frau in Deutschland von ihrem (Ex-)Partner getötet wird“, so Herzfeld.
Schutzeinrichtungen auch für nichtweibliche Gewaltopfer
Jenas Gleichstellungsbeauftragte Kerstin Haupt dankte allen Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, die an der Umsetzung des Projekts mitgewirkt hatten – insbesondere vom Kommunalservice Jena und dem Dezernat für Stadtentwicklung und Umwelt. Sie verwies außerdem auf das Chancengleichheitsfördergesetz, das der Thüringer Landtag im vergangenen Sommer verabschiedet hat und das in allen Städten und Landkreisen die Finanzierung der Gewaltschutzeinrichtungen aus Landesmitteln sichert. „Wir kommunalen Gleichstellungsbeauftragten – deren SprecherInnen-Gremium ich angehöre – haben uns für dieses Gesetz stark gemacht, im Vorfeld viele Diskussionen mit ExpertInnen und PolitikerInnen geführt und freuen uns nun über die Umsetzung seit dem 1. Januar 2025.“ Vorgesehen sei darin auch eine landesfinanzierte „Schutzwohnung für nichtweibliche Gewaltopfer“. Ziel sei, diese Schutzwohnung in Jena einzurichten, so Haupt. Derzeit werde mit einem erfahrenen Träger und dem Projekt A4, das seit Jahren männliche Gewaltopfer berät, an einer Machbarkeitsstudie gearbeitet. Auch regionale Akteure der LSBTIQ-Community würden einbezogen.
Jenaer Frauenhaus bietet Zuflucht für Frauen mit ihren Kindern
„Kein Platz für häusliche Gewalt“ ist die klare Botschaft, die auf der Jenaer Bank zu lesen ist. Über einen QR-Code gelangen Interessierte zur Webseite des Jenaer Frauenhauses, dessen Angebote seit Jahresbeginn unter der Trägerschaft der Kindersprachbrücke Jena e.V. stehen. Einrichtungsleiterin Kathrin Hampel verdeutlichte, dass die Zahl der Opfer im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr erneut angestiegen sei: laut polizeilicher Kriminalstatistik um mehr als 6,5 Prozent auf über 256.000 Opfer häuslicher Gewalt in Deutschland. 28 Frauen mit 27 Kindern suchten im Jahr 2023 Zuflucht im Frauenhaus in Jena, 107 Frauen ließen sich ambulant beraten. In Jena existierten mittlerweile vielfältige Schutz- und Interventionsmöglichkeiten bei häuslicher Gewalt wie das Frauenhaus mit sechs Familienplätzen für Frauen und Kinder, eine Fachberatungsstelle bei häuslicher Gewalt und der 24-stündigen Notruf im Akutfall sowie ein aktives Jenaer Netzwerk bei häuslicher Gewalt, so Hampel. Zugleich mahnte sie: „Auch wenn die Angebote des Frauenschutzes in eine hundertprozentige Landesfinanzierung gewechselt sind, ist es wichtig, dass das Thema häusliche Gewalt auf der kommunalen Ebene weiterhin im Fokus bleibt und über das symbolische Aufstellen einer Bank hinaus im politischen Alltag eine wirkungsvolle Rolle spielt.“